Der Altar
In der mittelalterlichen Kirche gab es vor
der Reformation vermutlich mehrere
Altäre. Neben dem gotischen Chor mit
dem Hochaltar bot das Querschiff mit
seinen Apsiden und Wandnischen Platz für
zusätzliche Seitenaltäre. Von der
vorreformatorischen Ausstattung ist eine
Reihe geschnitzter Skulpturen erhalten, die
ursprünglich wohl zu einem spätgotischen
Altarretabel gehörten und nun in die
Brüstung der Westempore eingebaut sind.
Nach Einführung der Reformation unter Graf Anton I und der lutherischen Kirchenordnung unter
Graf Johann VII im Jahr 1573 in der Grafschaft Oldenburg wurde die St.-Matthäus-Kirche zur
Regierungszeit von Graf Anton-Günther schrittweise für den lutherischen Gottesdienst um-und
ausgestaltet. Den Anfang machte der Altar, für den 1618 die erste Zahlung an den beauftragten
Bildhauer Ludwig Münstermann aus Hamburg geleistet wurde.
Die Zusammenstellung des Bildprogramms erfolgte wahrscheinlich durch den damaligen Pfarrer
Gerhardus Petri. Das 1629 angelieferte auf
aufgestellte circa 5,90 m hohe Retabel zeigt
in überwältigendem Formenreichtum das
Heilsgeschehen von der Verkündigung an
Maria in der Predella bis zum
triumphierenden, Tod und Teufel
überwindenden Christus als Bekrönung. Die
zentrale, perspektivisch in die Tiefe
gestaffelte Szene, stellt das heilige Abendmahl dar vor dem Hintergrund eines Kuppelraumes mit
der Bundeslade im Zentrum als Symbol des Allerheiligsten.
Das gesamte Schnitzwerk des Retabels ist sehr filigran und mit einer Vielzahl von Durchbrechungen
gezielt auf eine rückwärtige Durchlichtung hin gearbeitet. Eigens dazu wurde das gotische
Ostfenster des Chores in geschicktem Bezug zum neuen Retabel umgebaut. Das aufstrahlende
Morgenlicht symbolisiert nach frühbarockem Verständnis die göttliche Offenbarung, die das
Retabel erfüllt, durchdringt, und sich der Gemeinde mitteilt. Die ursprünglich größeren südlichen
Fensteröffnungen des Chores unterstützen die beabsichtigte Lichtinszenierung im hellerem
Altarraum gegenüber dem dunkleren Kirchenschiff.
Im gottesdienstlichen Geschehen seiner Entstehungszeit
war der Altarraum mit Altar und Taufstein allein der
Austeilung der beiden Sakramente Abendmahl und Taufe
vorbehalten. Eine besondere Abschrankung mit zwei
Türen und einer kleinen Kanzel, von der aus die Epistel
vorgelesen wurde, teilte den Chor vom übrigen
Kirchenschiff ab. Auf den an Nord-und Südwand des
Altarraumes in Art eines Chorgestühls angeordneten
Kommunikantenbänken erwarteten die Gemeindeglieder
die Austeilung des Abendmahles, nachdem sie vorher die
Beichte abgelegt hatten. 1682 wurde eigens zu diesem
Zweck die Beichtstühle beiderseits des Altares für die
damals zwei Pfarrstellen der Gemeinde errichtet. Auf den
Kommunionbänken knieend empfingen die
Kommunikanten zuerst das Brot auf der Nordseite, dann
– nach dem Umgang um den Altar – den Wein auf der
Südseite. Nur während der Kommunion hatten die
Gemeindeglieder in ehrfürchtig knieender Position die Möglichkeit, das Retabel aus der Nähe zu
erleben. Auf diesen Wahrnehmungshorizont ist die Positionierung der Bildwerke des Altares in
besonderer Weise angelegt und auf diese Glaubenserfahrung ist das gesamte Bildprogramm
ausgerichtet.
Das tragende Rahmenwerk des Retabels ist aus dunklem Eichenholz geschnitzt, füllende
Relieftafeln, schmückende Skulpturen und Architekturteile aus hellem Lindenholz. Bei der
Aufstellung des Retabels 1629 unterstützten differenzierte Leim-und Ölüberzüge den Hell-Dunkel-
Kontrast der Materialien wirkungsvoll, kombiniert mit sparsam eingesetzten farbigen Absetzungen
und Beschriftungen. 1638 erfolgte eine Bereicherung der Fassung durch weitere farbige
Absetzungen, Inkarnate, Vergoldungen und gelüsterte Ver silberungen.
Dem Zeitgeschmack folgend wurde der Altar 1761 mit einer Marmorierung, neuen Inkarnaten und
Vergoldungen vollständig neu überfasst. Ähnliche Fassungen folgten später auf allen anderen
Ausstattungsstücken. 1889 von Theatermaler Mohrmann restauriert, wurde die barocke
Blaufassung 1959/60 weitgehend abgenommen und durch eine sehr farbintensive, kontrastreiche
Neufassung ersetzt, die eher einem fiktiven Idealbild entsprach, als nachweisbaren Befunden. Nach
gründlichen Voruntersuchungen wurde in den Jahren 1995-98 die gegenwärtige Fassung,
hergestellt, die sich am Aussehen des Retabels nach 1638 orientiert.