Die Kanzel
Ludwig Münstermann - Einer der bedeutendsten Bildhauer des 17 Jahrhundert in Norddeutschland
Das theologische Programm:
Neben dem Altarretabel prägt unter dem Rundbogen zum
Langhaus die 6,60 m hohe Kanzel das Gesamtbild des
Kirchenraumes. In das Rahmenwerk aus Eichenholz sind die
Figuren und Reliefs aus Lindenholz eingearbeitet. Altar und Kanzel
stehen in einer harmonischen Korrespondenz, sie verkörpern das
heilige Sakrament und das gesprochene Wort.
Das theologische Bildprogramm der Kanzel stellt das Christentum
in seiner ganzen Fülle dar. Himmel und Erde, Schöpfung und
Erlösung, Sünde und Gnade, Altes und Neues Testament treten
bildlich vor Augen.
Zur Beschreibung und Deutung der Bildinhalte und deren
Zuordnung wird die Kanzel in Ebenen unterteilt.
Ebene 1: Kanzelfuß „ Gesetz und Gnade“
Der Kanzelfuß ist als Baumstamm gestaltet und trägt den Kanzelkorb.
Am Fuß des Baumes sitzt der Mensch (Adam). Links unter verdorrten Ästen steht Moses mit den
Gesetzestafeln, so erkennt der Mensch seine Schuld und Sünde. Mose will ihn, eine Hand auf
die Schulter legend, zur Reue und Umkehr bewegen. Rechts unter grünen Ästen weist ihn
Johannes der Täufer (er hält seinen Zeigefinger zwischen Altes und Neues Testament) auf das
Gotteslamm hin und zeigt auf den Gekreuzigten in der Kalotte unter dem Kanzelkorb. Dem
Sündenbewusstsein (verdorrte Äste) steht die Erlösung (grüne Äste) gegenüber, die durch das
Kreuz bewirkt wird.
Ebene 2: Kalotte und Kanzelkorb
Oberhalb des Baumstammes erhebt sich die Kalotte mit dem
sechseckigen Kanzelkorb.
An der Kalotte sind auf den dort befindlichen Reliefs die wesentlichen
Inhalte des Alten und Neuen Testaments dargestellt: Sündenfall,
Gesetzgebung und Eherne Schlange, Verkündigung Mariä und
Verkündigung an die Hirten, Kreuzigung und Auferstehung.
Am Kanzelkorb darüber, den Inhalten zugeordnet, stehen die vier
großen Propheten des Alten Testaments, Jesaja, Jeremia, Daniel und
Ezechiel sowie die vier Evangelisten mit ihren Symbolen und
aufgeschlagenen von ihnen verfassten Büchern. Sie halten die
Reihenfolge ein, in der das Neue Testament ihre Bücher ordnet. Über
der Verkündigungsszene befindet sich der Salvator mit der Weltkugel.
Die vier Evangelisten sowie die drei lateinischen und die drei griechischen Kirchenväter auf dem
Schalldeckel wachen über die schriftgemäße Auslegung der Predigt.
Ebene 3: Laterne mit Schalldeckel;“ Trinität und Pfingstwunder“
In der offenen Laterne oberhalb des Schalldeckels im Himmelssaal steht der Thron, von dem
aus Gott, der allmächtige Vater, das von ihm geschaffene Weltall regiert, das er fürsorglich auf
dem Schoß hält. Zu seiner Rechten sitzt der
Gottessohn, der von Gott auf seine Menschwerdung
vorbereitet wird. Das Kreuz kündigt die Erlösung
prophetisch an. Außen aufgestellte Putten tragen
die Leidenswerkzeuge.
Unterhalb des Himmelssaals, an der Unterseite des
Schalldeckels, schwebt als dritte Person der Trinität
der Heilige Geist in Gestalt einer Taube inmitten der
Apostelgruppe mit Maria, der Mutter Jesu. In dem
Pfingstereignis kommt der Glaube auf die Erde und
in die Herzen der Menschen (dargestellt als Flamme
über den Köpfen der anwesenden Personen). Dies
ist die Geburtsstunde der Urgemeinde und der
Kirche.
Ebene 4: Bekrönende Figur
Den Abschluss der Kanzel bildet eine geflügelte,
bekrönte Frau die Ecclesia, die ein Modell der
Kirche (Gemeinde) in ihren Händen hält. Die
Vorstellung der Kirche in Gestalt einer Frau wird
auf die Johannesoffenbarung zurückgeführt.
Die Kanzeltreppe:
Sehr sehenswert ist schließlich die Kanzeltreppe mit ihren reichen Verzierungen.
Alle fünf Sinne werden durch Frauengestalten symbolisch dargestellt: das Hören - Auditus
(Hirsch), Sehen - Visus (Adler), Schmecken - Gustus (Früchte), Riechen - Odoratus (Hund) und
Tasten -Tactus (kneifender Rabe). Hier wird verbildlicht, dass das Wort Gottes alle Sinne
anspricht.